Dienstag, 1. November 2011

Teil 47 - Zugfahrt nach Hause.

Ich sah nicht mehr zurück. Ich wollte jetzt einfach nur noch nach Hause. Es waren nicht viele Leute im Zug, was auch logisch war, schließlich waren sie, um diese Uhrzeit meistens schon zu Hause. Da, wo ich jetzt auch sein wollte. Ich sehnte mich nach meinem Bett. Aber da musste ich mich noch etwas gedulden. Erschöpft lehnte ich meinen Kopf gegen die Fenster und sah hinaus in jetzt nach und nach auftauchende Landschaft. Ich ließ meine Gedanken ziehen. Weit weg von der Realität.
Doch lange hielt das nicht. Den ein klingeln holte mich sofort wieder in die Realität zurück. Ich sah mich um, doch niemand anderes war da. Immer noch klingelte es, jetzt wusste ich was es war: Mein Handy. Genervt holte ich es aus meiner Hosentasche. Als hätte ich es mir nicht schon denken können. Basti. Seine Mutter war wahrscheinlich zu Hause angekommen. Er hatte wohl gemerkt, dass ich nicht mehr da bin, sie nicht nur kurz alleine lies. Aber ich wollte jetzt nicht mit ihm reden. Ich müsste erklären warum ich gegangen wäre. Aber ich musste gehen. Besser spät als nie. Schließlich drückte ich ihn weg und verfrachtete mein Handy wieder in der Hosentasche. Doch es brachte nichts. Erneut klingelte es. Basti. Jetzt wurde mein schlechtes Gewissen wieder entfacht. Wieso war ich so? So dumm? Warum machte ich mir das Leben schwerer, als es sowieso schon war? Diesmal drückte ich ihn nicht weg, doch nahm das Gespräch auch nicht an. Ich legte es auf den gegenüberliegenden Sitz und hoffte, dass es bald aufhören würde. Als das Klingeln dann auch endlich verebbte, nahm ich mein Handy, schaltete es auf Lautlos und verstaute es in meiner Westentasche. Ich legte meinen Kopf wieder gegen meine Fenster, doch diesmal blieben meine Gedanken hier. Bei Chantal, bei Basti. Hatte ich jetzt gleich zwei, wenn nicht sogar drei, Freundschaften zerstört? Die Freundschaft zu Chantal. Die Freundschaft zu Basti und die Freundschaft zwischen Basti und Chantal? Was hätte er ihr erzählt? Was wusste sie jetzt schon alles? War sie noch bei ihm? Meine Gedanken wurden durch ein kurzes vibrieren in meiner Westentasche unterbrochen. Diesmal kein Anruf. Das musste eine SMS sein. Also nahm ich mein Handy noch einmal hervor und öffnete die neue Textmeldung. Es war mir schon fast klar, wer es nur sein konnte.
'Wieso drückst du mich weg? Wieso gehst du nicht dran? Wieso bist du gefahren? Was soll ich jetzt machen? Bitte. Ich muss mit dir reden. Und ich musste dir doch noch was sagen, es ist wichtig, sehr wichtig. Ruf mich bitte an, egal wann! Nur ruf mich an. Basti...'
Reglos saß ich dort, im Zug der nach Hause fuhr, und starrte den Display meines Handys an. Unfähig meine Augen von dieser Nachricht zu lösen, schossen mir, wie so oft heute schon, Tränen in die Augen. Aber wieso immer heulen? Es bringt nichts, rein gar nichts. Das macht die Zeit nicht ungeschehen. Diesmal musste ich antworten.
Doch was sollte ich sagen?
'Es tut mir leid...' war das Einzige was mir einfiel. Also beließ ich es dabei und versendete sie. Jetzt schaltete ich das Handy ganz aus. Ich wollte nicht wissen, was in der SMS stand, die er auf meine zurück schrieb. Mein Kopf lehnte ich wieder gegen die Fenster. Diesmal konnten meine Gedanken treiben, wie und wo sie wollten, denn ich schlief, dankbar über die Müdigkeit, schnell ein. Es war gut, dass ich so einen leichten Schlaf hatte, denn durch eine raue Stimme, die aus den Lautsprechern kam, wurde ich wach. An der nächsten Station musste ich aussteigen. Nach ungefähr zwanzig Minuten tauchte wieder diese Stimme auf. 'Nächster Halt...' Bla bla. Ich versuchte die Stimme zu ignorieren und ging zu den Türen. Ich drückte den Knopf und schon öffneten sie sich. Ich stieg aus. Die bekannte Gegend tat mir gut. Schnell ging die paar Straßen zu mir nach Hause. Inzwischen gaben nur noch die Straßenlaternen licht. Es war ziemlich kalt, dass führte dazu, dass ich fast nach Hause rannte. Zu Hause würde mein warmes Bett auf mich warten. Zum Glück begegnete mir auf dem Weg keiner. Endlich vor der Haustür angekommen, suchte ich nach meinem Schlüssel. Irgendwo hier hatte ich ihn doch.
Nach gründlichem durchsuchen meiner Tasche fand ich ihn dann. Schnell schloss ich auf und trat ein. Direkt wurde es wärmer. Hier war es zwar dunkler, als auf der Straße, weil alle schon schliefen, doch es war warm. Um niemanden aufzuwecken, schlich ich die Treppe, so leise wie möglich, hinauf. Dann in mein geliebtes Zimmer. Schnell stellte ich den Koffer ab, zog mich um und ließ mich auf mein Bett fallen. Unglaublich. Ich war da. Wieder zu Hause. Jetzt wollte ich nur noch schlafen. Ich schlüpfte unter meine Decke, drehte mich zur Seite und schloss die Augen. Gott sei Dank über-mahnte mich der Schlaf schnell, sodass ich mein Kopf aufhörte, über den heutigen Tag nachzudenken. 

4 Kommentare: